> Diskurs > Tanz und Typographie I
»Der moderne Tanz« von Erst Schur, das erste Buch über die neue Tanzkunst, erschien 1910 bei Gustav Lammers in München, gestaltet in der Ehmcke-Antiqua | © Sammlung Betz
Tanz und Typographie I
Zur Zeit der Anfänge der neuen Kunstform des modernen Tanzes blühten viele Bestrebungen der Lebensreform, von der Ernährung über Körperkultur und Kleidung bis zur Baukunst. Auch bei der Gestaltung der Gebrauchsgegenstände sollte neue Zweckmäßigkeit und Schönheit das Leben veredeln und der Kunst annähern. 1907 wurde in München der Deutsche Werkbund gegründet. Seit 1895 widmeten sich einzelne Verlage und Zeitschriften – in München »Pan«, »Jugend«, »Simplicissimus« und »Die Insel« – einer besseren handwerklichen und künstlerischen Buchgestaltung – gegen die Geschmacksverirrungen des Historismus und minderwertige Massenproduktion des Buchgewerbes. Buchkünstler verantworteten die Gesamtgestaltung und das Zusammenwirken aller Elemente des Buches. Nach der vom Jugendstil geprägten Jahrhundertwende setzte eine Phase der typographischen Erneuerung ein. Entsprechend wurden Schrifttypen entworfen. Das erste Buch zum modernen Tanz erschien 1910 in München bei Gustav Lammers, ohne Deckelillustration, in einer reinen Schriftlösung auf kunsthandwerklich gestaltetem Buntpapier. Die eingeprägten Versalien und die gesamte Typographie des Bandes sind mit der 1907 von Fritz Helmuth Ehmcke entworfenen, seit 1909 bei der Schriftgießerei Flinsch in Frankfurt am Main erhältlichen Ehmcke-Antiqua gestaltet. Ernst Schur, der Autor von »Der moderne Tanz«, war selbst Propagator einer neuen Buchkunst, und auch in der Folge lassen sich bei der publizistischen Institutionalisierung des neuen Tanzes vielfältige Beziehungen zwischen Buchgestaltung und Tanzkunst verfolgen.