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Birgitta Trommler
wurde in München geboren. Sie lebt in München und New York. Trommler studierte zunächst Psychologie und dann Tanz bei Maja Lex in Köln und ging 1965 mit einem DAAD-Stipendium nach New York, wo James Truitte, Eleo Pomare, José Limon und Merce Cunningham ihre Lehrer waren. Sie tanzte in verschiedenen Kompanien, u. a. bei Katherine Dunham und beim Philadelphia Theater. Ab 1968 begann sie in den USA am Annenberg Center for the Performing Arts zu choreographieren. 1975 kehrte sie in ihre Heimatstadt München zurück und übernahm das Tanzstudio des US-amerikanischen Musical- und TV-Choreographen William Miliè im alten Trambahndepot in der Wilhelmstraße. Hier gründete sie mit der Tanzdramaturgin Angela Dauber das Tanzprojekt München (TPM), eine Schule für Modern Dance sowie ihre eigene ab 1977 städtisch subventionierte Tanztheaterkompanie, die auch Gastchoreograph:innen aus Deutschland, Frankreich und den USA einlud, u.a. Katharina Sehnert, Ze’eva Cohen, Rudy Perez und Kei Takei. Das Tanzprojekt München gab zahlreiche Gastspiele im In- und Ausland.
Waren die ersten Stücke Birgitta Trommlers noch im Stil des abstrakten Modern Dance choreographiert, wandte sie sich bald dem Tanztheater zu. 1981 wurde ihr der Schwabinger Kunstpreis verliehen. Es entstanden zwei bis drei Produktionen im Jahr wie beispielsweise »Riesen raus« (1982), »Trau schau wem« (1984) oder »Stella« (1986). Sie ist Mitbegründerin des Choreograph:innenkollektivs Tanztendenz München e.V. Das TPM zog 1989 in die Humboldtstraße. Im gleichen Jahr übernahm Birgitta Trommler die Direktion des Tanztheaters Münster und leitete von 1996 bis 2004 die Sparte Tanz am Staatstheater in Darmstadt. Darüber hinaus inszenierte sie Opern, drehte die Kurzfilme »Bomarzo«, »Die weiße Erkrankung« und »Stadtfahrt« und führte Regie u. a. in dem Film »Wenn ich die Antwort wüßte«. 2003 kehrte die Tanzschule TPM wieder zurück nach Schwabing, in die Blütenstraße. 2008 schuf sie für Caroline Links Film »Im Winter ein Jahr« die Choreographie für Karoline Herfurth. Zusammen mit Johanna Richter rief sie für die freie Münchner Tanzszene die Plattform »Hier=Jetzt« ins Leben.
FILMOGRAFIE
1978 | 13 Min.
Regie und Choreographie: Birgitta Trommler | Ein tänzerisches Environment für neun Tänzer:innen, Tanzprojekt München
Produktion: Ehmck-Film GmbH | Prädikat »besonders wertvoll«
Mit Karla Bosák, Angela Dauber, Robert Elliott, Dorothea Feuser, Erich Hodges, Sabine Kaps, Rebecca McLair, Lynn Parkerson, Gabriele Platz
Kamera: Hubertus Hagen
Aus der Mutter nackt / Out of the Mother naked
Birgitta Trommler hat das Stück in Philadelphia am Moore College of Art & Design entwickelt. In München kam es im Rahmen der Schwabinger Wochen im Forum an der Münchner Freiheit zur Aufführung: mit Objekten von Judith Vassallo, gebaut von Werner Eisenrieder (Eisi Gulp). Es war die dritte Arbeit, die sie im öffentlichen Raum in München zeigte.
Eine weibliche Stimme rezitiert aus dem Off ein Gedicht der Kágaba Indios. »Sie ist die Mutter aller Dinge, sie ist die Mutter aller Flüsse, die Mutter der Bäume, die Mutter des Regens, die Mutter des Korns. Nackt kam ich aus der Mutter, nackt werde ich sein, wenn ich zurückkehre […]«
1981 | 12 Min.
Regie: Birgitta Trommler
Produktion: Ehmck-Film GmbH | Prädikat »besonders wertvoll«
Idee und erzählende Objekte: Thea Weltner
Mit Angela Dauber und Wulf Schmid Noerr
Kamera: Gérard Vandenberg
Getrennt von Tisch und Bett
Eine Kunstperformance in der Rauminstallation von Thea Weltner (1917–2001) als Kulisse für ein stummes Kammerspiel.
Ein Mann und eine Frau in einem Raum, in dem alles weiß ist, verabschieden sich leise. »Weiß – die Farbe der Vergeblichkeit, eingewickelte Schlüssel, eingesponnene Menschen, Blicke durch Scheiben … von drinnen nach draußen« (SZ-Kritik). Weiß aber auch als Symbol für einen Neubeginn. Der mit einem Fadengeflecht versehene Raum gegen Ende der Performance, eine Metapher für zwischenmenschliche Beziehungen, lässt an die Arbeiten der japanischen Künstlerin Shiharu Shiota denken, die mit riesigen Fadenstrukturen Gegenstände einhüllt. Thea Weltner hat das von ihr geschaffene Environment im Jahr darauf im Universitätsmuseum Marbach ausgestellt.
1983 | 13 Min.
Regie: Birgitta Trommler
Produktion: Ehmck-Film GmbH | Prädikat »besonders wertvoll«
Mit der Schauspielerin Ana Torrent (Carlos Saura, »Cría Cuervos«) und dem Ensemble des Tanzprojekt München
Kamera: Gérard Vandenberg
Bonmarzo
Entstanden ist der Kurzfilm für die experimentelle Sendereihe »Spielwiese« des ZDF. Das Team fuhr mit dem VW-Bus in den nördlich von Rom gelegenen Monsterpark Bomarzo aus dem 16. Jahrhundert, einem der ältesten Skulpturengärten der Neuzeit. Gedreht wurde eine Woche lang zwischen den bemoosten Ungeheuern. »Ein Kind wird zur Frau, die Frau zum kleinen Mädchen inmitten skurriler Weltenbummler, Soldaten und Steingöttinnen. Mythische Dimensionen, Bilder aus Tagträumen, Natur und Kunst verschlingen sich ineinander […]« (SZ-Kritik).
1984 | 17 Min.
Regie: Birgitta Trommler (nach Texten von Jutta Heinrich)
Prädikat »besonders wertvoll«
Mit Ilse Ritter (damals: Deutsches Schauspielhaus Hamburg)
Kamera: Petrus Schloemp
Stadtfahrt
Im Laufe einer Straßenbahnfahrt durch München, die in einem Tunnel zum Stehen kommt, durchlebt eine Frau Ängste und Halluzinationen. Es ist die beklemmende Geschichte »einer Frau, die die Zukunftslosigkeit unserer Zeit empfindet und ungewollt eine psychische Veränderung durchmacht: Immerzu beschäftigt sie die Frage: ›Wann tritt der Tod ein?‹ – gibt es Anzeichen, Vorboten, was sind die Symptome, hast sie sie selbst schon? Sie träumt nur noch weiß – ohne Konturen, ohne Raum, ohne Erlebnisse, ohne Farben und fast ohne Menschen« (Programmzettel). Wie bereits in ihrem Tanztheaterstück »Die weiße Erkrankung« (1983) thematisiert Trommler die Angst der Menschen vor der atomaren Bedrohung.